Sie befinden sich hier: FORUM46 > Interdisziplinärer Salon

Den ersten Interdisziplinäre Salon für Europa veranstaltete
das FORUM46 am 28. April 2005 in Kooperation mit dem
Goethe Institut Berlin.

Das Thema des Abends:

SOLL & HABEN

Auftaktstreit um europäische Träume, Taten und Wirklichkeiten

 

Die Diskussionsrunde

Karen Hauff
Projektleiterin „In Europa für Europa“ bei Europa Union Deutschland

Juri Andruchowytsch
Ukrainischer Schriftsteller

Dr. Ewald Böhlke
Daimler Chrysler AG Society and Technology Research Group

Frieder Otto Wolf
Leiter von inEcom, Institut für Europäische Kommunikation, Privat-Dozent für Philosophie an der FU Berlin, 1994 bis 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments

 

Moderation

Dariusz Radtke
FORUM46 - Interdisziplinäres Forum für Europa e.V.

 

Leitfragen

Was ist Europa ein Jahr nach dem Beitritt der Länder Ostmitteleuropas? Wird die Europäische Union zum Club der Begünstigten oder  zur Gemeinschaft aller Europäer? In welchem Umfang kann Interdisziplinarität zu einem wichtigen Schlüsselinstrument gemeinsamer Problemlösung in Europa werden? Welche Vision von der Entwicklung der Europäischen Union haben wir? Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft bei der europäischen Integration?

  

 

Soll und Haben 2005

Transdisziplinäre Annäherungen an den politischen Einigungsprozess auf dem europäischen (Sub-)Kontinent

Von Frieder Otto Wolf

  1. Das subkontinentale Europa als Teil des größten Kontinentes dieser Erde, Eurasien, hat weder natürliche, noch historische Grenzen.
  2. Der europäische Einigungsprozess, mit einem ganzen Netz von weiteren Prozessen und abgestuften Zusammenhängen um den dominant gewordenen Prozess der EU-Integration, wirkt politisch weit in die Nachbarschaft Europas hinein.
  3. Alle Versuche, eine substanzielle Definition des Europäischen zu finden bzw. zu erfinden und durchzusetzen sind zum Scheitern verurteilt – dennoch oder sogar eben deswegen eröffnet die Perspektive der europäischen Einigung dem gesamten Subkontinent eine Perspektive der friedlichen Entwicklung.
  4. Die europäische Einigung hat weit über die EU hinaus die beteiligten Staaten und Völker in einen neuartigen politischen Regulierungszusammenhang eingebunden, der mit den Mitteln nationalstaatlicher Demokratie nicht mehr gestaltbar oder auch nur kontrollierbar ist und die Herausforderung zu einer transnationalen Demokratie immer dringlicher macht.
  5. Wir alle sind dazu herausgefordert, uns als BürgerInnen Europas die Rechte zu verschaffen, an seiner weiteren Gestaltung aktiv teilzunehmen. Hierfür können die UkrainerInnen durchaus als Vorbild dienen.
  6. Die sich gegenwärtig abzeichnende Krise des europäischen Einigungsprozesses ergibt sich daraus, dass die technokratischen ebenso wie die marktradikalen Modalitäten der europäischen Einigung, wie sie die beiden bisherigen Erfolgsschübe der EU-Entwicklung getragen haben, ihr Potenzial inzwischen grundsätzlich erschöpft haben: Jetzt muss es gelingen, die europäische Einigung auf ein Projekt der nachhaltigen Entwicklung umzusteuern, dem es gelingt, die europäischen BürgerInnen und Völker demokratisch zu aktivieren. Das werden die gegenwärtigen europäischen Regierungen nicht schaffen, wenn wir sie dabei alleine lassen.
  7. Der gegenwärtige Verfassungsentwurf ist insofern ein Übergangsmodell, als er noch von dem technokratischen und marktradikalen Modellen der EU-Integration geprägt ist und nicht die Union der Staaten und Völker Europas zum Ausgangspunkt macht. Die Entwicklung einer europäischen, transnationalen Verfassungswirklichkeit, welche die demokratische Selbstgestaltung von unten zum Ausgangspunkt macht, ist in jedem Fall die nächste große historische Aufgabe der europäischen Einigung.
  8. Eine neue europäische Politik der nachhaltigen Entwicklung von unten wird auch weltweit neue Perspektiven eröffnen – indem sie zum einen ein transnationales Modell einer Friedensordnung aufbaut, die nicht primär auf militärischer Gewalt beruht, und zum anderen die Frage angehen muss, wie wir erreichen können, dass der weltweit nach dem Ende des ‚Kalten Krieges’ entfesselte Kapitalismus wirksam in eine Strategie des Umbaus zu einer nachhaltigen Entwicklung der gesellschaftlichen Reproduktion der Menschheit eingebunden und damit die ökonomische Macht des Kapitals einer demokratischen Politik untergeordnet werden kann.

© FORUM46 e.V. | Impressum